Deinen Zyklus ehren: Was wirklich als „richtige“ Yogapraxis zählt
- Yoga on the Move
- 2. Mai
- 4 Min. Lesezeit
Die Weisheit unserer Zyklen
geschrieben von Mina Lange
Nennst du deine Praxis während deiner Menstruation manchmal „sanft“ oder „angepasst“? Zählst du vielleicht einfach nur die Tage, bis du zu dem zurückkehren kannst, was du als deine „richtige“ Praxis betrachtest?
Ich kenne das auch. Manchmal ganz unbewusst bewerte ich meine Praxis in energieärmeren Phasen als vorübergehend – als würde ich einem unsichtbaren Standard nicht gerecht werden. Als ob alles, was nicht kraftvoll, fließend und schweißtreibend ist, nicht genug sei.

Dabei ist es kein Wunder. In der Follikelphase und rund um den Eisprung fühlen wir uns oft voller Energie, stark und körperlich leistungsfähig. Östrogen und Testosteron arbeiten für uns –
unsere Körper passen sich den gesellschaftlichen Erwartungen von Produktivität, Konstanz und Leistungsbereitschaft scheinbar mühelos an. Wir fühlen uns „on“, geradlinig …mehr im Einklang mit dem männlichen Rhythmus, den die Welt oft bevorzugt.
Dann aber kommt die Lutealphase.
Der Östrogenspiegel sinkt, Progesteron steigt – ein Hormon, das uns zur Ruhe, zur Innenschau und zu mehr Weichheit einlädt. Es ruft nach Erholung, tieferer Nahrung und sanfterem Umgang mit uns selbst. Unsere Leistungsfähigkeit nimmt vielleicht ab – aber unser Bedürfnis nach Präsenz und innerem Hinhören wächst.
Und genau dort liegt die Herausforderung – und die Chance.
In der Yogawelt wird oft betont, wie wichtig Beständigkeit ist. Tägliche Praxis. Disziplin. Routinen. Aber was passiert, wenn der Rhythmus deines Körpers nicht in dieses Bild passt?
Ich ertappe mich oft dabei, Yoga in der Follikelphase als „richtige“ Praxis zu betrachten – während alles andere zum bloßen Erhalt wird, ein Warteraum auf das Zurückkehren der Energie. Doch genau diese Denkweise widerspricht dem tiefen Wesen des Yoga.
Wir sehen dasselbe Muster in der Art, wie wir mit Schwangerschaft, Geburt und Mutterschaft umgehen. All das sind zutiefst heilige Übergänge. Und doch wird Yoga in dieser Zeit oft als Übergangslösung betrachtet – als Brücke zurück zur „eigentlichen“ Praxis.
Aber hier ist die Wahrheit: Der zyklische Rhythmus des weiblichen Körpers ist keine Unterbrechung der Praxis – er ist die Praxis. Er spiegelt die Jahreszeiten der Erde wider, das Kommen und Gehen des Lebens.
Während das männliche Hormonsystem in relativ konstanten Zyklen arbeitet – alle 15 Minuten ein Testosteronimpuls – bewegen wir uns in Wellen. Monatszyklen. Zeiten der Ausdehnung und des Rückzugs. Wir durchleben Schwangerschaften, Fehlgeburten, das Wochenbett, die Wechseljahre. Keine dieser Phasen ist ein Umweg. Sie sind der Weg selbst.
Und ja – sich an diese Rhythmen anzupassen, sieht nicht immer beeindruckend aus. Der Fortschritt scheint langsamer. Asanas kommen und gehen. Wir verbringen vielleicht Wochen, Monate oder Jahre in sanfteren, introspektiven Räumen.
Aber das ist keine Schwäche – das ist Weisheit.
Der weibliche Körper – in all seinen Wandlungen – bringt uns in direkten Kontakt mit Veränderung, mit Geheimnis, mit der rohen Kraft von Schöpfung und Loslassen. Er zwingt uns, Vergänglichkeit anzunehmen. Er bringt uns der Realität von Leben und Tod näher. Und genau das ist eine zutiefst yogische Erfahrung.
Yoga geht nicht darum, Posen zu sammeln oder Konstanz zu beweisen. Es geht darum, Präsenz zu kultivieren – tiefes Vertrauen in deinen eigenen Rhythmus, deine Energie, deine Wahrheit. Es geht darum, die weibliche Intelligenz in deinen Zellen zu ehren. Die Shakti, die genau weiß, wann es Zeit ist aufzustehen, sich zurückzuziehen, zu ruhen oder laut zu brüllen.
Hormon-Diagramme und Zyklus-Tracking sind hilfreiche Werkzeuge, und ich ermutige dich, dich damit auseinanderzusetzen. Aber sie sind Durchschnittswerte – nicht du. Dein Zyklus, deine Symptome, deine Energie an einem bestimmten Tag – sie sind keine Statistik. Sie sind Wegweiser für deine aktuelle Erfahrung.
Und dennoch übergehen wir oft diese innere Stimme zugunsten äußerer Erwartungen. Wir haben viele Jahre an „Ich sollte …“-Glaubenssätzen verinnerlicht:
Ich sollte dieses Vinyasa durchziehen, weil ich gerade im Eisprung bin.Ich sollte mich ausruhen, weil ich blute – auch wenn ich mich kraftvoll fühle.Ich sollte fasten, obwohl mir schwindelig ist.Ich sollte essen, was „gesund“ ist – nicht das, wonach mein Körper verlangt.
Diese äußeren Erwartungen übertönen unsere innere Weisheit. Diese Schichten abzulegen – das ist vielleicht das mutigste Yoga, das wir je machen werden.
Wenn wir uns selbst ehrlich begegnen – roh, intuitiv, ungefiltert – berühren wir eine Kraft, die nicht nur körperlich oder mental ist. Es ist die stille, konstante Kraft der Selbstverbindung. Die Kraft, die bleibt, ganz gleich, wie unsere Praxis aussieht … ob wir fruchtbar sind oder nicht, regelmäßig bluten, hormonell verhüten, nicht mehr bluten oder nie geblutet haben.
Wenn du dich das nächste Mal dabei ertappst, deine Praxis als „weniger“ zu bewerten – halte inne. Lausche. Frag dich: Wessen Stimme ist das?
Dann atme. Spür deinen Körper. Sei hier – genauso wie du bist.
Unsere Körper wissen, was zu tun ist – so wie die Bäume wissen, wann sie blühen, Früchte tragen oder ihre Blätter loslassen. Manche Zyklen sind kurz. Andere dauern Jahre. Viele überlappen sich. Zusammen formen sie ein einzigartiges, fein verwobenes Muster – eines, das nur du lesen kannst.
Diese Präsenz, dieses radikale Selbst-Ehren – das ist das wahre Yoga.
Wenn du Lust hast, deine zyklische Natur und ihre Verbindung zu Bewegung näher zu erforschen, laden wir dich herzlich zu unserem Women's Day Retreat am 25. Mai mit Mina & Marie im wunderschönen Studio C in Berlin ein.
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